10 Okt 2015

Stillen: die einfachste Sache der Welt, denkste

Seit Tausenden Jahren werden Babys stillend ernährt, die mütterliche Brust gilt als Quelle des Lebens und die Milch in ihr ist mit über 2000 Inhaltsstoffen einzigartig und nicht reproduzierbar (sogar Stammzellen soll sie enthalten). Dennoch ist die natürlichste Sache der Welt in unserer heutigen Zeit ziemlich problembehaftet. Das zeigte sich beim Diskussionsabend, der von Schwanger in meiner Stadt, der BKK VBU und Medela anlässlich der Weltstillwoche ausgerichtet wurde.

Das eigentliche Thema des Abends war, wie auch das Motto der diesjährigen Stillwoche: "Stillen und Beruf". Neun Bloggerinnen waren der Einladung gefolgt und schon bei der Vorstellungsrunde kristallisierte sich eines heraus: die Anfangsschwierigkeiten beim Stillen sind enorm und wenn eine Frau es schafft, die empfohlenen sechs Monate zu stillen, dann ist das lange. Der Großteil der Anwesenden hatte alles andere, als einen harmonischen Start ins Stillgeschäft. Das stellt man sich im Idealfall folgendermaßen vor: Nachdem das Baby möglichst schmerzfrei (reines Wunschdenken) auf die Welt gekommen ist, wird es angelegt und nimmt in aller Ruhe seine ersten Schlucke. Im Mutterleib hat es in den vergangenen Monaten das Saugen schließlich üben können. Doch so einfach es sich anhört, Theorie und Praxis gehen meist getrennte Wege.

Von Stillhütchen und Milchpumpen

Ich selber bekam im Krankenhaus (in einem stillfreundlichen) diagnostiziert, meine Brustwarzen seien zum Stillen nicht geeignet. Dabei sehen die für meine Begriffe ganz normal aus, keine Schlupf- oder Hohlbrustwarzen und doch nicht zum Stillen geeignet. Zum Glück hatte ich eine schöne Geburt hinter mir und auf die Sprüche der Schwestern gab ich einen Sch... auch wenn aller paar Stunden eine an meinen Nippeln zuppelte und versuchte, sie dem Kleinen in den Mund zu schieben. Damit das Kind nicht weiter unter das Geburtsgewicht rutschte, wurde ich schließlich an eine Medela angeschlossen, die das kostbare Kolostrum aus mir pumpte, das meinem saugfaulen Kind via Pipette eingeflößt wurde. Am Ende erbarmte sich eine Schwester meiner und reichte mir Stillhütchen. Damit klappte es schließlich und wir durften nach Hause. Mithilfe einer guten Freundin und meiner Hebamme ging es ein paar Tage später auch ohne Stillhütchen. Ich möchte sie auf keinen Fall verteufeln. Toll, dass es sie gibt! Doch das ewige Saubermachen und Auswechseln ging mir ehrlich gesagt gehörig auf die Nerven, außerdem las ich, dass Stillhütchen die Milchproduktion senken.

Baustelle Hebammenausbildung

Fast drei Jahre später lerne ich, dass die Hütchen mittlerweile so dünn sind, dass sie genauso viel Milch in den Brüsten lassen, als würde man ohne Hütchen stillen, so erklärte es uns Stillexpertin Manuela Burkhardt von Medela. Die Expertin erzählte uns aber auch, dass das Thema Stillen in der Hebammenausbildung nur einen kleinen Teil ausmacht und bei weitem nicht das Rüstzeug liefert, welches in der Arbeit mit einer frisch gebackenen Mutter benötigt wird. Auch Anne vom Hebammenblog konnte das bestätigen. Sie hat zusätzlich eine Ausbildung zur Stillberaterin absolviert. Die ersten zehn Tage seien entscheidend, da müssten die Mütter richtig unterstützt werden. Ich kenne kaum eine Mutter, die am Anfang keine Schwierigkeiten hatte und in vielen Fällen lag es an der Inkompetenz der Hebammen, dass es mit dem Stillen nicht so recht klappen wollte. Das konnten auch die Bloggerkolleginnen bestätigen: Komplikationen während der Geburt, Milchstau, entzündete Brustwarzen oder Blockaden beim Baby - die Gründe für Stillstartschwierigkeiten sind vielfältig. Manchmal möchten die Mütter einfach nicht stillen. Was ja auch ihr gutes Recht ist. Eine Mutter in der Runde sagte, dass sie sich den Kopf darüber zerbrochen hätte, wie sie ohne schlechtes Gewissen nicht stillen könne. Unverständnis

Unverständnis, wohin das Auge reicht

In unserer heutigen Zeit eigentlich ein absurder Gedanke, wo die Regale in den Drogerien voller Formular sind. Eine Mutter meinte sogar, dass sie in der Öffentlichkeit angemacht wurde, weil sie ihrem Kind das Fläschen gab. Dann lieber die Brust in der U-Bahn herausholen? Auch das ein Garant für böse Blicke. Wie man es macht, macht man es in den Augen anderer falsch. Da bleibt nur, auf das eigene Bauchgefühl zu hören und sich nicht beirren lassen! Auch dann nicht, wenn man nach drei Jahren noch immer stillt, so wie es bei uns der Fall ist. Solange ich mich damit wohl fühle, werde ich wohl auch die nächsten Monate noch mit Schulterzucken antworten, wenn mich jemand fragt, wann denn endlich Schluss damit sein...

Es macht mich traurig und wütend zugleich, dass unsere Mitmenschen (und darunter sind auch viele Frauen) weder für Langzeitstillende, noch für Mütter, die nicht stillen wollen, noch für Väter, die sich in den ersten Monaten um ihre Kinder kümmern, Verständnis haben. Es gibt auch Familien, in denen die Frau das Geld nach Hause bringen und der Vater zehn Monate Elternzeit nehmen muss. Was in einem solchen Fall nicht zwingend heißt, dass abgestillt werden muss.

Wusstet ihr, dass berufstätigen Müttern während der Arbeitszeit am Tag zweimal 30 Minuten Stillzeit zur Verfügung stehen? So steht es im Mutterschutzgesetz. Mir war das bisher neu und wenn ich mich dafür entschieden hätte, sicher auch eine logistische Herausforderung, denn mein Büro liegt eine gute Stunde von zuhause entfernt. Außerdem bezweifle ich, dass mein Arbeitgeber das Stillen am Arbeitsplatz gut gefunden hätte. Mal davon abgesehen, dass es gar keine Möglichkeit gibt, sich mit einem Baby zurückzuziehen. So soll es 86 Prozent der Frauen in Deutschland gehen, erzählte die Medela-Expertin. Was bestimmt auch damit zu tun hat, dass der Großteil mit Wiedereintritt in den Beruf abgestillt hat oder, so wie ich, nur nachmittags oder abends stillt. Eine Tatsache, die so etwas wie Stillzimmer überflüssig macht. An dieser Stelle ist also noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten, nicht nur bei den Frauen. Ich kann nur an jede einzelne appellieren: Informiert euch, löchert eure Hebammen, tauscht euch untereinander aus, sprecht mit eurem Arbeitgeber und besteht auf eure Rechte! Denn auch wir Mütter sind gefragt, damit sich Job, Kinderhaben und Stillen in Zukunft besser vereinbaren lassen.

Beim Diskussionsabend waren folgende Bloggerkolleginnen mit dabei:

Thema: 

Kommentare

Ach, was für ein schöner Artikel. Gerade bevor ich ihn las, habe ich mein Baby gestillt und satt und zufrieden ins Bettchen gelegt. Ich kann mich an diesem zufriedenen Menschenkind gar nicht sattsehen... Ich denke, dass Frauen ihre Verbindung zu ihrem Kind durch Stillen intensiv verstärken können und dem kleinen Menschenkind auf diese Weise das Beste für einen gesunden Start ins Leben bieten. Die Gesellschaft hat mit ihrer konsumorientierten Einstellung nicht darüber zu richten. Die Werbung führt dazu, dass gerade viele junge Frauen nicht mehr auf diese natürlichen Prozesse zurückgreifen. Das ist sehr schade und ich würde mir diesbezüglich wirklich mehr Aufklärung wünschen.
Wieso teure Flaschen und Flaschennahrung kaufen, wenn es das Beste fürs Baby komplett umsonst gibt?
Mein Baby wird solange gestillt, bis es von selber nicht mehr mag.
Liebe Grüße von einer Mama, die sehr gerne stillt.

Danke für die schöne Zusammenfassung und Deine Teilnahme!

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